Das Bauwerk
„Vom Kahn genießt man den Blick
auf das die Gehöfte überragende einfache
Schloß“
Das Herrenhaus in Obernitzschka wurde 1947
als Steinbruch für Neubauerngehöfte freigegeben
von Lutz Heydick
Was man heute vorfindet
Hinter Trebsen strömt die Mulde ins Wurznische. Beim ehemaligen
Gut Obernitzschka nimmt sie die Launzige auf, einen 11 km langen, vom Wermsdorfer
Forst kommenden, leider meliorierten Bachlauf. Auf dem Sporn über
der Muldenschleife ragt der Nitzschkaer Kirchturm vom l745 hoch auf. Das
Kirchenschiff hatte Ende des 17. Jahrhunderts seinen prägenden Umbau.
Vom benachbarten Gutskomplex ist nur ein langgestrecktes Stallgebäude
unter hohem Walmdach erhalten geblieben. Hofseitig zeigt es seine ganze
Mächtigkeit, dazu herrliche Kreuzgewölbe im Innern. Ein Torgebäude
des Gutshofes gibt den Weg in den kleinen Gutspark frei, der sich bei einer
Gruppe von Kastanien in die Muldenaue öffnet. Dort im Park wird man
erst der alten Mauer des einstigen Herrenhauses gewärtig, genauer
gesagt, seines verfüllten Untergeschosses.
Nach der Bodenreform im Jahre 1947, ist das zuletzt (zusammen mit dem
Rittergut Unternitzschka) der Familie von Carlowitz gehörige Gutshaus
abgetragen, als Steinbruch für den Aufbau von Neubauerngehöften
freigegeben worden.
Wie es der „sächsische Fontane" erlebte
Eine noch heile Ansicht Obernitzschkas vom jenseitigen Muldenufer und
einstigen Fährkahn hat: uns zu Anfang dieses Jahrhunderts der Verfasser
der „Kursächsischen Streifzüge" Otto Eduard Schmidt im Abschnitt
„Mul-denländisches" beschrieben: „Vom Kahn genießt man den Blick
auf die baumgeschmückte Aue. auf das behaglich zwischen den Gärten
sich versteckende Dorf und das die Gehöfte überragende einfache
Schloß. Es war einst (1814-1826) im Besitz des Dichters August Mahlmann.
der sich hier von den Schrecken des Kriegsjahres 1813 erholte. Mahlmann
hatte als Pächter und Redakteur der Leipziger Zeitung durch seine
politische Haltung das Mißfallen Napoleons erregt, der ihn am 26.
Juni 1813 aus Leipzig nach Erfurt schleppen und dort einkerkern ließ
... Er wurde wieder freigelassen und konnte die Leipziger Schlacht und
die Befreiung der Stadt an Ort und Stelle miterleben und in jubelnden Versen
besingen. In Obernitzschka hat er sich der Landwirtschaftlichen naturwisenschaftlichen
Studien hingeben. Seine ehrten ihn durch eine im Park angebrachte Gedenktafel.
1858 wurde Obernitzschka verkauft."
Eine neue Tafel verdiente der 1771 in Leipzig geborene, durch die Grimrnaer
Landesschule gegangene, „weiland Sächsische Hofrath", 1826 in Leipzig
verstorbene Schriftsteller wohl...
Erinnerungen aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts..
Als „Sachsens (alte) Kirchen-Galerie" und das „Album der Rittergüter
und Schlösser des Königreichs Sachsen" auch Obernitzschka in
Wort und Bild erfaßten, befand sich das Gut noch im Besitz von Mahlmanns
Schwiegersohn Baron von Lorenz. Es heißt dort rückblickend,
im 14. Jahrhundert habe „das Rittergut der von Holleufer'schen Familie
(gehört) und von dieser ist es an die aus dem Winkel gekommen, welche
es über 100 Jahre besessen haben. Dann im 16. Jahrhundert und zwar
schon 1519 war es im Besitze der Herren von Minkwitz, welche noch im Jahre
1720 damit beliehen waren ... Obernitzschka hat einen starken Wieswachs
zum Theil jenseits der Mulde, weshalb das Heu grösstentheils auf Kähnen
transportirt werden muss. Es hat gute und vortreffliche Wirthschaft mit
schönen Gebäuden und besonders zeichnet sich das Schloss mit
seiner angenehmen Lage aus."
Die genannten von Minckwitz waren kurz zuvor auch in den Besitz des
großen Trebsener Gutes gelangt und hatten dort den weiten vierflügligen
Schloßbau der Spätgotik aufführen lassen. Das demgegenüber
bescheidene Obernitzschkaer Herrenhaus stammt in seiner überlieferten
Baugestalt aus der Zeit nach 1704, als ein im Dorfe ausgebrochener Brand
„bei starkem Winde die sämmtlichen Rittergutsgebäude, sechs Bauergüter,
Pfarre und Schule in Asche legte, auch der Kirchturm abermals zerstört"
worden ist.
Im Jahre 1546 sind durch Johann von Minckwitz die beiden bis dahin
selbständigen Parochien Neichen und Obernitzschka zusammengelegt worden,
da beide Pfarrstellen „so gering dotirt waren, daß sich darauf ein
Pfarrer kaum erhalten konnte". Das sogenannte Collaturrecht über die
Besetzung der Pfarrstelle wechselte in der Folgezeit jeweils zwischen den
Gutsherren von Obemitzschka und Neichen. Nach Obemitzschka gepfarrt sind
die Dörfer Untemitzschka, Oelschütz und „die Sonnmühle,
mit dem daran befindlichen Schenkhause", wie es in „Sachsens (alter) Kirchen-Galerie"
heißt.
Ausflug auf dem Muldendamm
Vom Gutspark aus zieht sich auf dem rechten Muldenufer ein Dammweg
bis zur Sonnenmühle, die einst ein von Pyrna kommender Bach antrieb.
Auf der „Loreley", einem breiten Felssporn des östlichen Muldenhochufers,
liegt der slawenzeitliche Sonnenmühlwall. Gut erkennbar sind der alte
Zugang an der Westseite und der langgezogene hohe Wall.
Das westlich der Muldenschlinge gelegene Pausitz hat zu 974 erste Erwähnung
durch den Merseburger Bischof und Chronisten Thietmar erfahren, die einstige
Oelschützer Kirche wenig später zu 1017, Nitzschka selbst erst
1350.
Bis hin nach Wurzen läßt es sich am Ostufer der Mulde wandern,
am jenseitigen Ufer entlang der Pausitzer und Schmölener Lache, beides
Altwasser der Mulde, abgeschnittene Flußschlingen mit eigenen Kleinbiotopen,
Paradiese für Wasservögel. Der bereits genannte Otto Eduard Schmidt,
Wurzens Gymnasialdirektor der Jahre 1905-10, hat diesen Flußpartien
die schönen Sätze gewidmet: „Die Muldenlandschaft von Grimma
nordwärts bis zur Landesgrenze (Sachsens) hat lange Zeit als langweilig
und reizlos gegolten. Aber das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts hat
einen Umschwung gebracht. Mit Recht gilt jetzt nicht nur das Auffallende,
sondern die unverfälschte Natur wieder für wertvoll und in gewissem
Sinne für schön." Seitdem haben Maler, Wasserfreunde, Wanderer
nicht vom stillen Reiz dieser Landschaft um Obemitzschka muldeabwärts
lassen können.